You and me- not us.
Alles in der Welt folgt einem Trend. Egal ob die Mode, die Technik oder die Sprache. Es gibt immer gewisse Entwicklungen, denen gefolgt wird. Und auch Beziehungen sind nicht gänzlich frei von gewissen Entwicklungen Richtung Zeitgeist. Da gab es den Trend früh zu heiraten, die freie Liebe zu leben, eine Kommune zu bilden, sich scheiden zu lassen oder mit seiner Sekretärin zu schlafen. Zu den jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Zweisamkeit gehört nun eine neue Beziehungsform, die sich dadurch auszeichnet, dass man keine Beziehung hat. „Single sein als Beziehungstrend“ scheint erstmal recht platt zu sein, aber die Sache ist geringfügig komplexer. Diese neuartige Form der Beziehung umschreibe ich gerne mit dem Satz: „Wir sind nicht zusammen, aber“ und sie zeichnet sich auch genau durch diese Problematik aus. Es ist die Entscheidung zweier Menschen, sich nicht zu entscheiden. Man legt fest, sich nicht festzulegen. Die Gründe für diese bipolare Einstellung sind unterschiedlichster Natur- mal ist es die Scheu verletzt zu werden oder sich ganz zu öffnen, mal ist es schlichtweg Zeitmangel oder die allseits beliebte Freiheitsliebe. Man mag sich gerne, verbringt gerne seine Zeit miteinander, hat tollen Sex, aber einer oder beide scheuen den gesellschaftlichen Stempel, der mit Blockbuchstaben zwei Menschen eine „BEZIEHUNG“ attestiert. Man folgt der Logik der Risikovermeidung und schließt auf den ersten Blick gewissen Gefahren, die Beziehungen mit sich bringen, von vorne herein aus. Wo keine Beziehung ist, können keine Beziehungsprobleme sein. Ist man nicht zusammen, kann man sich auch nicht trennen. Doch die Schwierigkeiten, die mit dieser komplexen Form der Nicht- Entscheidung einhergehen, sind immer dieselben. Sie führt zu unangenehmen Situationen, die sich dadurch auszeichnen, dass man sich immer wieder in einer beziehungstechnischen Grauzone befindet. Es gelten nicht die gleichen Regeln wie bei einer Affäre, denn Affäre passieren heimlich und es ist etwas anderes als „friends with benefits“, denn man lernte sich nie mit der Absicht kennen, eine rein platonische Beziehung zu führen. Welche Gesetze sind somit einschlägig? Welche Dinge sind bindend in einer Nicht- Bindung? Als elementar wird in den meisten Beziehungen die sexuelle Treue angesehen. Dies zeigt sich nicht nur darin, dass man treu ist, sondern auch dadurch, dass man, wenn man es nicht war, alles daran setzt, das Ganze vor den Partner zu verheimlichen, weil man weiß, dass es unrecht war. Doch wie ist es bei einer Verbindung zwischen zwei Menschen, die nicht verbindlich ist? Man hat unverbindlichen Sex- auch mit anderen. Aber steht man in der Pflicht, es demjenigen zu sagen? „Wir sind nicht zusammen aber schläfst du eigentlich auch mit anderen?“ wirft einen regelmäßig auf die schiefe Bahn. Und man will diese Frage vermeiden, aber selbst wenn man die Frage nicht formuliert, stellt sie sich unweigerlich irgendwann. Und wie verhält man sich an Feiertagen? Gratuliert man zum Geburtstag? Schenkt man etwas und gibt es den Zwang, sich zu sehen? Wie stellt man sich bei Freunden des anderen vor? Und die Fragen werden schärfer und häufen sich, je länger man dieses Spiel ohne Sieger spielt. Selbst wenn die beiden Beteiligten, diesen Fragen aus dem Weg gehen, ist es das Umfeld, das auf Klärung zu drängen scheint. „Was ist eigentlich mit dir und diesem Mann? Seid ihr zusammen? Aber ihr seht euch so oft- du warst auf seiner Party- da dachte ich, dass“. Ich habe einen Mann auf diese Weise getroffen- ganze neun Monate lang- und es entpuppte sich als Fehlgeburt. Wir haben alles Mögliche zusammen geteilt- ich kannte seine Freunde, ging bei ihm ein und aus, verbrannte mir die Schultern auf dem Zuschauerrang eines Tennisplatzes während er spielte und habe in London wunderbare Tage mit ihm gehabt. Er rief mich nachts an aus Sorge darüber, wo und mit wem ich war und ich wählte zuerst seine Nummer, um ihm von meinem schrecklichen Tag zu erzählen. Und dennoch nutzte er jede Gelegenheit um mich oder vielleicht vielmehr ihn daran zu erinnern, dass wir ja nicht zusammen sind. „Wenn wir zusammen wären“, „Du verstehst wir sind nicht zusammen“ und „Wenn du meine Freundin wärst“ kamen regelmäßig immer dann in den Momenten, wo man sich besonders nah war und man besonderes Vertrauen hatte. Wie eine Warnleuchte seinerseits, um den emotionalen Abstand zu wahren. Aber kann man eine Mauer nur durch die Abgrenzung einer gesellschaftlich gängigen Begrifflichkeit aufrechterhalten? Zeichnen sich Beziehungen lediglich dadurch aus, dass sie eine Bezeichnung haben? Wenn zwei Menschen regelmäßig Zeit miteinander verbringen, kommt es zu einer Bindung. Man wird ein Teil des anderen- auch entgegen aller Formalia. Es ist ein Trugschluss, zu glauben, nur weil man sich dem gesellschaftlichen Stempel entzieht, gäbe es keine Probleme. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, man vermehrt die Probleme dadurch nur noch, weil man sich ständig fragt, ob man dieses oder jenes machen kann oder ob das schon zuviel wäre. „Ich möchte mit dir Silvester verbringen-aber darf ich das? Ich möchte dir jetzt sagen, dass ich an dich denke-aber darf ich das?“. Und auf der anderen Seite der Medaille stellt man sich Fragen wie: „Der Typ an der Bar ist heiß und ich will ihn-darf ich das?“ oder „Ich habe ein Date mit jemandem-darf ich das?“. Und wie beendet man etwas, dass nie wirklich angefangen hat? Ich habe mir schon wüste Beschimpfungen anhören müssen, weil ich etwas Halbes wegen etwas Ganzem beendet habe und genau solch emotionaler Ballast sollte doch eigentlich vermieden werden. Und es tat weh als ich von meiner Neun- Monatsgeburt für eine andere Frau „verlassen worden bin“. Seine Betonungen, dass wir keine Beziehungen hatten, interessierten mein Herz herzlich wenig und der Mann, den ich auf diese Weise zurückgelassen habe, hat nicht weniger gelitten. Nur weil man sich nicht zueinander bekennt, heißt nicht, dass man sich nicht kennen und lieben lernt. Es schützt einen nicht davor, verletzt oder verlassen zu werden, denn das Herz eines Menschen ist frei von gesellschaftlichen Zwängen und Trends. Also warum spielen wir dieses Spiel? Warum scheuen wir uns davor, alles zu setzen und am Ende wenigstens ehrlich zu verlieren? Unsere Welt wird davon beherrscht, miteinander verbunden zu sein und die Menschen beginnen, genau diese Bindung zu scheuen, weil sie Verantwortung mit sich bringt. Aber entgegen aller Trends besitzen wir Menschen die Fähigkeit, den anderen zu fühlen und zu verstehen, weil wir in Beziehungen zueinander stehen, ob wir wollen oder nicht. Das Leben birgt Verletzungen in sich und sich davor zu schützen ist unmöglich. Nur wer alles riskiert, kann auch alles gewinnen. Also sollten wir uns bewusst werden, dass die Beziehung, die man zu einem anderen Menschen hat, nicht durch einen Trend oder ein Wort bestimmt wird, sondern durch unser Herz. Und unser Herz ist autark.
Facemash.com- der Name ist nicht jedem geläufig und doch beruht er auf einem Konzept, das der Mensch von jeher innehat. Mit Facemash.com startete damals Mark Zuckerberg seine- wenn auch umstrittene- Erfolgsgeschichte. Er ging mit einem Internetportal online, welches Fotos weiblicher Studentinnen öffentlich gegenüber stellte und Besucher der Seite die Möglichkeit gab, diese in Bezug auf ihre Attraktivität zu vergleichen und zu bewerten. Zwar musste Zuckerberg mit Facemash schon nach wenigen Tagen wieder offline gehen-er hatte die Fotos ohne Erlaubnis veröffentlicht- doch vergleichen und bewerten wir Menschen wohl ganz automatisch. „Wer ist schöner, besser, reicher?“. Mit Facebook, MySpace oder auch Instagram rief man sogenannte Soziale Netzwerke ins Leben, die vornehmlich dem Zweck dienen sollten, eine Verbindung zwischen Menschen zu schaffen, Interessen zu teilen oder Neuigkeiten auszutauschen. Doch betrachtet man sich die Beiträge einzelner sozialen Networker genauer, bekommt man einen anderen Eindruck. Was liest man zwischen den Zeilen? Was erkennt man hinter den Fotos und Postings?
Nehmen wir nur mal das Beispiel der sogenannten „Rich Kids on Instagram“. Diese nutzen die Fotoplattform zwar wirklich dafür, ihre Neuigkeiten mit anderen zu teilen, doch beinhalten diese Neuigkeiten vor allem Besitz und die Möglichkeiten, die Kreditkarte des milliardenschweren Daddys zum Glühen zu bringen. Jachtausflüge, Helicoptertouren, Champagnerduschen und unzählbare Einkaufstüten namhafter Designer plakatieren die Profile der Rich Kids. Und wir stauen mit mehr oder weniger Neid über solch einen Reichtum. Das Phänomen, sich vor anderen darstellen zu wollen ist allerdings nicht nur den Reichen und Schönen vorenthalten und vielleicht mit unter ein Grund für den Erfolg verschiedener Netzwerke. Wer heute online geht, ist von Selbstdarstellung umgeben. Es muss immer höher, schneller und weiter sein und wenn es das nicht ist, wird es zumindest nach außen hin so dargestellt. Wir Menschen haben angefangen, uns mehr und mehr um den Schein zu bemühen, als das Sein zu leben. Man loggt sich an Orten ein, an denen man nicht ist, aber gerne wäre, stellt Fotos online mit Menschen, die man nicht mag, aber von denen man gemocht werden möchte und postet Güter, die man nicht besitzt, aber vor anderen unbedingt braucht. Jeder ist auf einmal reich, glücklich, weltumreisend und zufrieden. Dank vieler Fotobearbeitungsprogramme haben wir per Mausklick oder Daumentouch die Figur, die wir gerne hätten und das Gesicht, das wir meinen, haben zu müssen. Und das Erste, das uns morgens beschäftigt, ist nicht der Blick in den eigenen Spiegel, sondern der Klick auf verschiedene Profile anderer, um zu vergleichen und zu bewerten. Doch was bringt uns das? Sich mit anderen zu vergleichen, ist natürlich, aber ist das wirklich der richtige Weg, um glücklich zu werden und sich weiter zu entwickeln? Betrachtet man einmal die Darstellung verschiedener, erfolgreicher Menschen, fällt zumindest mir doch eine Sache auf: Diese Menschen vergleichen und bewerten vor allem sich selbst. Sie stehen im ständigen Wettkampf mit sich selbst und dabei ist es fast unmöglich zu betrügen. Der Blick in den Spiegel verwischt die Korrekturen per Fotoshop, der Blick auf den Kontoauszug nimmt einem die Illusion des schnellen Reichtums und der Blick in seine Kontakte bei einer Sommergrippe lässt keine Zweifel offen, dass ehrliche Freunde am Ende des Tages wertvoller sind, als Menschen auf einem Foto.
Den Menschen kann man in seinen Eigenarten vielleicht nicht ändern, aber man kann sich selbst dahingehend beeinflussen, sich nicht gehen zu lassen. Natürlich ist es niemals falsch, nach rechts oder links zu schauen, um sich selbst einzuordnen und zu orientieren, doch sollte man niemals aufhören, sich selbst als Maßstab zu nehmen. „Was habe ich heute getan, um morgen eine bessere, schönere oder reichere Version von mir zu sein?“ Es sollte eine Lebenseinstellung werden. Wir Menschen stehen nicht ständig in einem Wettbewerb miteinander und so sollten wir es doch auch nicht nötig haben, zu dopen und zu betrügen. Anstatt die Energie darauf zu verwenden, sich selbst besser darzustellen als man ist, sollten wir alles daran setzen, eben diese Version des besseren Ichs zu werden. Denn letztlich schreiben wir jeden Tag ein Stück eigene Geschichte und diese sollte am Ende mehr wert sein als die eigene Chronik.