Mittwoch, 26. November 2014
Ex-tasy

Da ist sie. Mir stockt kurz der Atem. Vielleicht setzt mein Herz auch für eine Millisekunde aus. Da ist sie und lächelt mich an. Also eigentlich lächelt sie jeden an, der das Foto von ihr ansieht. Vielleicht lächelt sie den Fotografen an. Oder hat er das Foto gemacht? Und wieso lächelt die eigentlich so selbstzufrieden? Noch ein kritischer Blick und dann klicke ich die Seite weg. Wollte ja eigentlich eh überhaupt nicht wissen, wer sie ist oder wie sie aussieht. Seine Ex. Ist ja vorbei zwischen denen. Wollte ja vielleicht nur mal schauen, was vor mir so war. Bin ja nur zufällig drauf gestoßen. Nach ein paar Tagen Recherche.
Es gibt sie in fast jeder Beziehung. Die Ex -Partner. Die Verflossenen. Die Ausgeschiedenen. Offen habe ich nie nachgefragt. Aber ob man es nun darauf anlegt, vielleicht mit umgekehrter Psychologie, oder man versucht, das Thema zu meiden, die Exfreundinnen oder -Freunde spielen in Beziehungen immer eine Rolle. Ob nur als stiller Komparse, wo man nicht mehr als den Vornamen erfährt, als Statist, der sich immer mal durch die Szene bewegt oder gar als Nebendarsteller, der die Haupthandlung begleitet und auch mal für eine entscheidende Wende sorgen kann.
Freundin angerufen. Jetzt will sie auch das Foto sehen. Also noch mal auf ihre Seite. Nur noch mal kurz. Schöne Haare hat sie, denke ich und drehe an meinen Strohspitzen. Du bist viieell hübscher, versichert meine Freundin. Wieder Blick in den Spiegel. Friseur angerufen.
Wie also soll man umgehen mit den verflixten Ex- Akten? Erst einmal vermeide ich wirklich immer, sie überhaupt in die Hände zu bekommen, aber wir Menschen sind ja nun von gewisser Neugier geprägt und wenn man mir dann einen Forschungsansatz gibt, vertiefe ich das schon mal. Allerdings sollte man die Arbeit mit dem Mikroskop vermeiden. Wie sah sie aus? Was hat sie gemacht? Warum ist es schief gegangen? Und Stop! Zurückzoomen! Je näher man einem Bild kommt, desto weniger entspricht es dem, was es wirklich zeigen soll. Man erkennt nur noch einzelne Pixel und verliert den Blick auf das Ganze. Zeichnet der Partner von sich aus ein Bild seiner Ehemaligen, muss man auch hier auf den Blickwinkel achten. Solche Erzählungen sind niemals ohne Filter, ob grobkörnig oder durch einen Weichzeichner und die darin gezeigten Bilder sollen im Publikum meistens irgendwelche Emotionen hervorrufen. Entweder als herausfordernde Motivation wie "Also bei meiner Ex musste ich das nie machen" oder als tröstende Aufmunterung wie "Du ziehst dich viel besser an als meine Ex". Man neigt auch vielleicht dazu, die Beziehung als die Fortsetzung der vorherigen zu sehen. Liebe Part II und III. Die Fehler, die der letzte Partner gemacht hat, stehen wieder im Drehbuch und das Publikum erwartet quasi, dass sich die Dramen mit dem aktuellen Partner wiederholen. Ist man betrogen oder verarscht worden, ist das Misstrauen gegenüber einem neuen Partner natürlich groß und man neigt dazu, einem bekannt vorkommenden Szenen zu Ende zu spielen, ohne überhaupt abzuwarten, wie es wirklich weiter geht. Der eine lässt vor seinen Augen einen Film ablaufen, in dem der andere nur noch ein meinungsloses Reality- Sternchen ist.
Balletttänzerin, lese ich als Beruf und habe sofort Bilder von ihr im Kopf, wie sie sich als akrobatische Sexgöttin durch rote Satinlaken wälzt, während ich schon einen Krampf bekomme, wenn ich ungeschickt von meinem roten Fahrrad steige. Die haben es bestimmt Tag und Nacht getrieben.
Eine Beziehung ist keine billige Fortsetzung des ersten Teils, in dem die Handlungsstränge und dieselben Charaktere weitergespielt werden. Eine Beziehung ist auch kein trashiges Remake eines Erfolgsfilms, bei dem sich lediglich die Schauspieler geändert haben und die Handlung sowie das Ende bekannt sind. Jede neue Beziehung ist eine Premiere, mit zwei Schauspielern, die zum ersten Mal einen noch nie gedrehten Film miteinander gespielt haben. Vielleicht kommt einem das ein oder andere bekannt vor, aber keiner weiß, wie der Film endet. Die Dramen, die Psychothriller, die Krimis, die Slapstick- Komödien und die Horrorfilme, die mal über die Leinwand geflimmert sind, sind nicht mehr aktuell und verstauben höchstens noch in halbdunklen Videotheken. Schmeißen wir uns in die schönsten Kleider und feiern wir gemeinsam die Premieren. Geben wir jedem neuen Film die Chance, unser Lieblingsfilm zu werden, den wir uns stets wieder gerne anschauen und uns doch vom Ende immer wieder überraschen lassen.
Ich klicke die Seite weg. Weg mit ihrem Bild. Ihr Auftritt ist vorbei und preisgekrönt war er nicht. Einen Oskar hat sie nie bekommen. Jetzt bin ich an der Reihe: Licht. Kamera. Action. Aber vielleicht fang ich mit Ballett an.